Der Weltfrauentag 2021 liegt kaum eine Woche zurück und ist gefühlt fast schon wieder vergessen. Man geht wie immer zu anderen Themen über, nachdem an einem Tag lang und breit über die Rechte von Frauen, Gleichbehandlung, Gender Pay Gap und häusliche Gewalt gesprochen wurde. Wie jedes Jahr nutzen nicht nur politische Gruppierungen das Datum des 8. März für medienwirksame Protestaktionen, sondern auch Unternehmen und Privatpersonen positionieren sich als Kämpfer*innen für die Gleichstellung der Frau.
Was ist Gleichberechtigung?
Für mich gibt es keinen Zweifel daran, dass Frauen grundsätzlich alles genauso gut oder schlecht können wie Männer. (Umgekehrtes gilt übrigens genauso.) Ich hatte das Privileg, als unabhängige und selbständige Person mit vielen Chancen aufwachsen zu können und sah mich noch nie gezwungen, mich vorrangig durch mein Geschlecht zu definieren. Gleichzeitig mache ich mir keine Illusionen darüber, dass mein Status als Frau in vielen gesellschaftlichen Bereichen noch sehr präsent, wennauch nicht zwangsläufig ein Hindernis ist.
Ich würde mich durch und durch als emanzipiert bezeichnen. Das liegt aber nicht an jährlichen Social-Media-Postings und Werbeplakaten, indem Politiker*innen und Führungspersonen den starken Frauen in ihren Teams danken oder die leider immer noch vorhandene Chancenungleichheit aufzeigen. Das liegt nicht an Kommunikation über Gleichberechtigung, sondern an Taten.
Mehr Vorbilderinnen bitte!
Ich wurde mit 21 Jahren zur aktuell jüngsten Gemeinderätin in Innsbruck gewählt und habe mit 22 mein eigenes Unternehmen gegründet. Dass ich als junges Mädchen nie daran gezweifelt hatte, dass ich alles werden kann, was ich möchte, verdanke ich vor allem starken Frauen, die mir vorgezeigt haben, was möglich ist. Vorbilder, die mit viel Durchhaltevermögen, Willenskraft und definitiv auch einer großen Portion Humor vorleben, was für mich eine viel zitierte „moderne, erfolgreiche Frau“ ausmacht. Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder in Führungspositionen, in der Wirtschaft und Politik, in allen Funktionen und Ämtern. Denn nur so können wir alte Denkmuster aufbrechen und jungen Frauen realistische Chancen aufzeigen und deutlich machen, dass es kein Widerspruch ist, empathisch und stark zu sein.
Handlungsbedarf auf vielen Ebenen
Was es ebenso braucht sind ernst gemeinte Versuche, echte Chancengleichheit herzustellen. Wie weit wir hier noch von einer Idealsituation entfernt sind wird gerade in der jetzigen Zeit deutlich. Frauen und Mädchen trifft die Coronakrise besonders hart, angefangen bei hauptsächlich weiblich besetzten und notorisch unterbezahlten (oder überhaupt nicht bezahlten) Jobs, sowohl in wichtigen Berufszweigen wie der Pflege aber insbesondere auch in der Kinderbetreuung und Hausarbeit. Und damit verbundenen Gehaltseinbußen und körperliche und psychische Belastung. Diese Leistungen werden neuerdings zwar beklatscht, aber weiterhin wie selbstverständlich hingenommen. Hier gibt es ohne Zweifel noch viel Aufholbedarf.
Die Zukunft gemeinsam gestalten
Sich ausschließlich mit Verbissenheit und Zorn gegen das patriarchale System zu lehnen, wird keinem Mädchen mehr Perspektiven geben: Keine bessere Chance auf eine erfolgreiche Karriere, gleichbezahlte Arbeit oder gerechte Behandlung. Auch „Femwashing“* und oberflächliche Diskussionen bringen in meinen Augen nur dem*derjenigen etwas, die sich damit zu profilieren oder positionieren versuchen.
Arbeiten wir also lieber daran, die Gemeinsamkeiten von Männern und Frauen herauszuarbeiten, anstatt uns in Unterschieden zu verlieren. Versuchen wir gleiche Rechte für Männer und Frauen tagtäglich zu leben, anstatt diese einmal jährlich zu fordern.
* Der Begriff „Femwashing“ steht – wie „Greenwashing“ im Zusammenhang mit Umweltschutz – dafür, dass man feministische Inhalte (ohne wirkliche Substanz) für Marketingzwecke einsetzt.
PS: Die gesamte Diskussion über Gleichbehandlung der „beiden Geschlechter“ basiert auf dem gängigen, aber nicht mehr zeitgemäßen binärem Geschlechtersystem. Wenn ich von „Gleichberechtigung von Mann und Frau“ spreche, ist damit genauso die „Gleichberechtigung aller binären oder nicht-binären Menschen, unabhängig davon, ob und welchem Geschlecht sich jemand zugehörig fühlt“ gemeint.